„wenn die Straßen nicht so voll gewesen wären, würdest du heute nicht leben!“

Dankenswerter Weise wurde in der Sendung „Radio Moppi“ vom 14.02.2015 das Bombardement Dresdens vor siebzig Jahren detailreich dargestellt.

In dieser Sendung wurde auch geschildert, dass die hohe Anzahl der Opfer, ca. 250 000- 300 000, dadurch zustande kam, weil Flüchtlinge sich zur Zeit des Bombardements in der Stadt aufhielten. Wer auf Wikipedia nachließt, wird Angaben zu den Opfern finden, die lediglich von 20 000- 25 000 ausgehen. In Großbritannien gibt es Buchveröffentlichungen und auch in Teilen der Öffentlichkeit werden ebenso die Angaben gemacht, wie sie auch in der Sendung von Radio Moppi genannt wurden. Es wird in interessierten Kreisen in Großbritannien auch ganz klar von einem Kriegsverbrechen gesprochen.

Auch die BRD- Geschichtsschreibung zeigt das Thema auf, spricht allerdings auf der entsprechenden Seite des Internetmuseums, Lemo, wiederum von der sehr geringen Anzahl von Opfern.
Die Bombardierung von Dresden
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/bombardierung-von-dresden-1945.html
In dieser Darstellung wird aber ein Verweis gegeben, woher die Flüchtlinge stammten, von denen gesprochen wurde. Aus Schlesien sollen nach dieser Darstellung die Flüchtlinge gekommen sein.

Da meine Familie dabei war, habe ich natürlich aus deren Erinnerung erfahren, was sich ab dem 13.Februar 1945 in Dresden und Umgebung abgespielt hatte. Meine Großmutter, meine Mutter und ihr Bruder sind 1942 von Emden/Ostfriesland in der Umgebung Dresdens untergebracht worden, da Emden massivsten Bombenangriffen ausgesetzt war.

Obwohl in einem großen Umfang Bunker bereits gebaut waren und noch weitere gebaut wurden, waren die ständigen Luftangriffe extrem belastend für die Zivilisten. Heute kann man sich auf der Seite von
http://www.bunkermuseum.de/bunkerbau_bunkermuseum_emden.html
die Baumaßnahmen nur in dieser Stadt ansehen. In anderen Städten mag ein ähnlicher Aufwandt diesbezüglich betrieben worden sein, doch das hing natürlich davon ab, wie intensiv die Bombardierungen vorgenommen wurden.

Selbst in der kleinen Siedlung Conrebbersweg, wo meine Familie wohnte, gab es einen Bunker.
Trotz dieser Bunkerbaumaßnahmen nutzte meine Großmutter Anfang 1943 das Angebot der Kinderlandverschickung, denn selbst in einem Bunker ist ein Bombardement nicht nur extrem belastend, sondern auch gefährlich. Wenn in einem Alarmfall die Bunkertür verschlossen wurde, wird sie nicht mehr geöffnet, bis Entwarnung gegeben wird.

Meiner Großmutter war das Risiko zu groß den langen Weg zum Bunker nicht rechtzeitig mit ihren Kindern zu schaffen, um dann, wenn die Bomben fallen, vor verschlossener Tür zu stehen. Also entschied sie Anfang 1943 jenes Angebot der Kinderlandverschickung, welche es schon seit Ende 1940 gab, anzunehmen.

Zu dieser Zeit wurde auch schon einigermaßen Druck auf Mütter mit Kindern gemacht, das Angebot zur Kinderlandverschickung wahrzunehmen. Natürlich wollten nicht alle ihre Heimat verlassen und mussten dann sozusagen auf eigenes Risiko handeln. Der Verwaltung gegenüber musste das schriftlich bestätigt werden.

Ab 1943 kam es also zur „erweiterten Kinderlandverschickung“, sodass mehr als zwei Millionen Kinder aus den oft vom Bombenterror betroffenen Städten in die Gebiete bayrische Ostmark, Mark Brandenburg, Wartheland, Oberdonau, Sudetenland, Thüringen und Sachsen verbracht wurden.

Meine Großmutter, meine Mutter und ihr Bruder kamen nach Sachsen in einen Ort Namens Ghosa oder Gosa, welches einige Kilometer nördlich von Dresden liegen muss. (Die Recherche im Internet hatte leider kein plausibles Ergebnis erbracht). Dort hatten sie ihre Ruhe, da diese Gebiete, welche vom KLV (Kinderlandverschickung) genutzt wurden, keinerlei kriegswichtige Ziele darstellten.

Diese Ruhe wurde erst Ende 1944 genommen, da die Rote Armee zu dieser Zeit bereits vor Budapest angelangt war und drohte in der anstehenden Frühjahrsoffensive selbst bis nach Sachsen vorzubringen.

Um Budapest wurde eine erbitterte Schlacht geführt, welche vom Oktober 1944 bis zum 13.Februar 1945 andauerte. Am 13.Februar 1945 ergaben sich die ungarischen und deutschen Truppen in Budapest. Nun stand der Roten Armee kein nennenswerter Widerstand entgegen auf ihrem Weg nach Norden, in Richtung Sudetenland, Thüringen und Sachsen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_um_Budapest

Von der Niederlage der Verteidiger von Budapest erfuhren die Menschen und sie mussten befürchten, dass die Vorauskommandos der Roten Armee vielleicht nur Tage brauchen würden, um Sachsen zu erreichen. Was sie dann zu erwarten hatten, würde wohl so sein, wie in Nemmersdorf Ende 1944.

https://www.google.de/search?q=nemmersdorf&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=UYTjVPnfHI3taLrPgdgO&ved=0CDMQsAQ&biw=1803&bih=912

Wegen der Kapitulation der Verteidiger von Budapests gab es nun keinen nennenswerten Widerstand und mehrere hunderttausend Rotarmisten drängten nun dorthin, wo die Mütter mit ihren Kindern durch die Aktion „Kinderlandverschickung“ gebracht wurden, um vor den Bombenangriffen sicher zu sein.

Auch wenn meine Großmutter, meine Mutter und ihr Bruder sich nördlich von Dresden aufhielten, so mussten sie dennoch nach Dresden, um nach Norddeutschland zu kommen, da dort der Bahnhof war und vielleicht noch ein Zug in die gewünschte Richtung fuhr.

Dass Dresden mit einem Bombenangriff rechnen musste, war nicht anzunehmen und es gab auch keinerlei Flugabwehrmaßnahmen, Bunker oder gar eine Luftwaffe, die eventuell anfliegenden Bombern hätte gefährlich werden können. Die einzigen Flugzeuge, die am Himmel zu sehen waren, sind die Aufklärer der Alliierten gewesen, die unbehelligt alles photographierten, was sich am Boden abspielte.

Somit waren die Alliierten bestens unterrichtet über die Flüchtlingsströme, welche aus allen Himmelsrichtungen kommend nach Dresden drängten. Wir dürfen uns solche Bilder vorstellen, wie sie bei den dicht an dicht gedrängten Menschenmassen heute vorkommen, wenn eine Massenveranstaltung abgehalten wird.

Aus diesem Grunde wurde mir als Kind erzählt von meinen Leuten:“ wären die Straßen nicht so voll gewesen, würdest du heute nicht leben!“

Als das Bombardement losging kehrte meine Großmutter um und zog es vor mit ihren Kindern zu Fuß nach Ostfriesland zurückzukehren.

Hier haben wir die Orte, aus denen die Flüchtlinge stammten und um wen es sich handelte: es waren Mütter mit ihren Kindern, welche durch die Kinderlandverschickung dorthin gelangten!

Dresden Mitte Februar 1945 ist deswegen einmalig und unterscheidet sich von allen anderen Bombenangriffen aus der Luft, weil es sich um eine konzertierte Aktion handelte. Erst der Fall Budapest und die einsetzenden Flüchtlingsströme nach Dresden, weil dort eine Zugverbindung erhofft wurde; dann erst massivste Luftangriffe über tage hinweg mit Brandbomben. So wurden auf konventionelle Weise mehr Menschen hingemordet, als mit einer Atombombe auf Nagasaki oder Hiroshima möglich gewesen wäre.